[20.12.2021] Mit dem nun vorliegenden 9. Band wird eine Lücke geschlossen, die in der als „Deutsche Thomas-Ausgabe“ bekannten Ausgabe der „Summa Theologiae“ noch bestanden hatte. Gegenstand des voluminösen Doppelbandes sind die Fragen, mit denen der Zweite Teil der „Theologischen Summe“ beginnt: (1) Fragen nach dem letzten Ziel menschlichen Handelns, das Thomas als Glückseligkeit denkt; (2) handlungstheoretische Begriffsklärungen mit Erörterungen u. a. über 'wollen', beabsichtigen, wählen und über Handlungsumstände; (3) Untersuchungen der Bewertungsbegriffe ‚gut’ und ‚schlecht’ in ihrem formalen Charakter und ihrer theologischen inhaltlichen Bestimmung.
Thomas’ Gedanken werden durch zwei Kommentare von Prof. em. Dr. Klaus Jacobi (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg/Br.) erläutert: Der historische Kommentar soll in seinen allgemeinen wie in seinen speziellen Abschnitten eine Hilfe zum Textverständnis sein. Der argumentationsanalytische Kommentar soll durch die Erläuterung jedes Artikels und durch Überlegungen zu den Voraussetzungen, auf denen Thomas aufbaut, dazu helfen, von Thomas zu lernen. Übersetzung und Kommentare sind für theologisch oder philosophisch interessierte Leser gedacht, die mit Thomas’ Terminologie und seiner Weise, Fragen zu untersuchen, noch nicht völlig vertraut sind, die aber bereit sind, sich einzuarbeiten.
Die deutsche Thomas-Ausgabe ist die vollständige, ungekürzte und von renommierten Fachleuten kommentierte deutsch-lateinische Ausgabe der Summa Theologiae des Thomas von Aquin. Sie wird von den Dominikanern der Provinz Teutonia herausgegeben. Schriftleiter ist Prof. Dr. Thomas Eggensperger OP, M.A. (Institut M.-Dominique Chenu Berlin / Philosophisch-Theologische Hochschule Münster / Campus für Theologie und Spiritualität Berlin). Eggensperger hat die Schriftleitung 2020 von Prof. Dr. Walter Senner OP, MST (1948-2020) übernommen.
Ab diesem Band, der in zwei Teilbänden erscheint, wird die Deutsche Thomas-Ausgabe im Verlag De Gruyter (Berlin) verlegt.
Bibliographie:
Thomas von Aquin, Summa Theologiae I-II, 1-21: Ziel und Handeln des Menschen, übers. und kommentiert von Klaus Jacobi, hrsg. von Thomas Eggensperger (Deutsche Thomas-Ausgabe Bd. 9), Verlag De Gruyter Berlin 2022, 2. Bde., zus. 1.554 S., € 119,95, ISBN (e-book) 9783110746709, ISBN (gebunden) 9783110742923.
Zum Buch auf der Website des Verlags De Gruyter (Berlin) >>
Übersicht über die Bände der Deutschen Thomas-Ausgabe >>
4/2021: "Wo zwei oder drei... Abrahami(ti)sche Religionen"
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Abbildung: www.wort-und-antwort.de
[15.12.2021] Schon oft wurde die Wendung "abrahami(ti)sche Religionen" dafür kritisiert, dass sie Religionen essenzialisiere und eine harmonisierende Einheitlichkeit zwischen ihnen suggeriere, die nicht den religionshistorischen Gegebenheiten entspricht. Mit 9/11 und dem wachsenden Bedürfnis nach einer ‚Zähmung‘ des Gewaltpotenzials von Religion haben interreligiöse Initiativen, die sich aus einer friedenstiftenden Absicht heraus einer „abrahamischen Ökumene“, „abrahamischen Spiritualität“ o.ä. verschreiben, neuen Schub erhalten. Jedoch übersehen diese häufig die unterschiedlichen Ausgangssituationen und historischen Erfahrungen der drei Traditionen, was zu Irritationen in der Begegnung zwischen Jüd*innen, Christ*innen und Muslim*innen führen kann.
Das neue WORT UND ANTWORT-Heft versammelt Beiträge von Ephraim Meir („Das Abrahamitische Abenteuer [Er]Leben“), von Jehoschua Ahrens zu jJüdischen Trialog-Initiativen, Abualwafa Mohammed über korandidaktische Überlegungen zum abrahamitischen Trialog in Schule und Bildungsarbeit, von Mira Sievers und Tobias Specker SJ zu Ansätzen einer „Intertheologie“, von Hana Bendcowsky zum interreligiösen Dialog in Israel, von Dennis Halft OP zu Bernard Dupuy OP (1925–2014) und von Anja Middelbeck-Varwick zu Leo Baecks Buch „Judentum, Christentum und Islam“ (1956).
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[07.12.2021] Im Politik-Teil ("Politische Bücher") der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 7. Dezember 2021 (Nr. 285, S. 6) bespricht Tobias Schrörs den dieses Jahr veröffentlichten Sammelband "Rechte Normalisierung und politische Theologie. Eine Standortbestimmung". In einem längeren Abschnitt seiner Rezension geht Schrörs auch auf den Buchbeitrag von Prof. Dr. Ulrich Engel OP (Institut M.-Dominique Chenu Berlin / PTH Münster) ein.
Nun sag, wie hältst du’s mit der AfD?
Die Einladung eines AfD-Vertreters zum Katholikentag in Münster führte vor wenigen Jahren zum Streit.
Ein Sammelband will ergründen, welcher Umgang mit der Partei angemessen ist.
Von Tobias Schrörs
»Soll man Vertreter der AfD auf kirchliche Podien einladen? In dem hier zu besprechenden Sammelband fällt die Antwort nahezu einhellig aus: Soll man nicht. Beim Katholikentag im Jahr 2018 in Münster wurde ein AfD-Politiker zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Einige Theologen forderten in der sogenannten Münsteraner Erklärung für eine mutige Kirche vergebens dessen Ausladung. Aus dem Kreis dieser Theologen ging der Arbeitskreis Politische Theologie hervor, der zu einer Tagung einlud, nach der dann der Sammelband entstand. Dessen Titel wartet mit zwei großen Begriffen auf: rechte Normalisierung und politische Theologie.
Damit entspannt sich ein weiter Deutungsrahmen. Auf der einen Seite steht die Annahme einer rechten Normalisierung auf der Ebene der politischen Organisierung. So sei durch das Auftreten der AfD eine „signifikante Veränderung feststellbar“ (Jan-Hendrik Herbst). Schließlich sei die Partei ein Sammelbecken für Menschen mit rechter Einstellung. Auf der anderen Seite ist der Anspruch zu sehen, im Gefolge des Theologen Johann Baptist Metz eine Theologie zu treiben, die Theorie einer Praxis ist, „nämlich die rationale Rechtfertigung der Praxis der Nachfolge Jesu“ (Jan Niklas Collet und Fana Schiefen). Metz begründete in den Sechzigerjahren die Neue Politische Theologie.
Was spricht für, was gegen eine Ausgrenzungsstrategie?
Auf die einleitenden Beiträge folgt ein Teil mit sozialwissenschaftlichen Reflexionen, daran schließt sich ein Teil mit theologischen Reflexionen an. Abschließend geht es um Perspektiven für die Praxis. Der Sammelband sieht sich mit Metz einer „positionierten Theologie“ verpflichtet, „die Partei ergreift für die Leidenden, Armen und Ausgeschlossenen“ (Herbst). Die Positionierung, aus der ein Ausschluss der AfD gefolgert wird, ist unverkennbar, und bisweilen wirkt der Sammelband darum wie eine große Selbstvergewisserung, Redundanzen eingeschlossen. Ein knapperes, auf relevante Beiträge reduziertes Buch wäre vorteilhaft gewesen.
Was spricht nun für eine Ausgrenzungsstrategie gegenüber der AfD? Floris Biskamp nähert sich dieser Frage über die Entwicklung der Partei und begründet die Ausgrenzung so: Wenn die Strategie einer Partei dadurch geprägt sei, dass Rechtsextreme und Rechtsradikale um die Macht kämpften, aber versuchten, sich nach außen hin eine bürgerliche Fassade zu geben, „gibt es keinen Grund, mit ihr den Diskurs über irgendetwas zu suchen“. Es gebe ferner „keinen Grund zu glauben, dass eine Einbeziehung der Partei viele ihrer Wähler*innen ‚für die Demokratie zurückgewinnen könnte‘ – sie haben sich ja aus freien Stücken entschieden“. Ein Vorteil der Ausgrenzungsstrategie ist Biskamp zufolge, dass eine Stigmatisierung der bürgerlichen Inszenierung zuwiderlaufe. Außerdem rechtfertigt er eine Ausgrenzung aus Solidarität mit „denjenigen, gegen die die AfD hetzt und die von rechtem Terror bedroht sind“.
Die einzige Gegenstimme zur Ausgrenzungsstrategie stammt von dem Soziologen Thomas Wagner. Er legt seine Position in einem Interview dar, das von Herbst geführt wird. Schon die Form des Beitrags drückt also eine Distanz zur Haltung Wagners aus. Wagner kritisiert die These einer rechten Normalisierung. Mit Blick auf rechte Ideen und Positionen sagt er: „Eigentlich werden seit dem Ende der 1970er-Jahre meiner Wahrnehmung nach eher Rückzugsgefechte geführt.“ Bei der Ausgrenzungsstrategie ergeben sich aus Wagners Sicht verschiedene Probleme. Eine von ihm diagnostizierte „Dynamik der Ausgrenzung“ tendiere dazu, sich auf immer mehr Ausgrenzungsforderungen auszuweiten. Es gehe ferner nicht um einen verharmlosenden Dialog, sondern um eine harte Auseinandersetzung. „Ich glaube, wenn man nicht an den ‚zwanglosen Zwang des stärkeren Arguments‘ glaubt, dann kann man kein Demokrat sein.“
Roter Faden geht an manchen Stellen verloren
An einigen Stellen geht der rote Faden im Sammelband verloren. Auf das Für und Wider zu der Frage, ob man nun Vertreter der AfD einladen solle, folgt etwa ein grundlegend angelegter Beitrag. Daniel Keil greift ein Zitat auf, wonach das Drama nicht der Aufstieg der Rechten sei, sondern der Aufstieg der Rechten Teil des Dramas. Sein Beitrag mündet in der Feststellung, dass „die Krise der Demokratie als Teil der Entwicklung einer organischen Krise kapitalistischer Reproduktion betrachtet werden“ könne. Im nächsten Beitrag stellt Sonja Angelika Strube eine Analyse von Leserkommentaren auf rechtschristlichen Internetseiten vor.
Den roten Faden des Streits über die AfD-Einladung greift im theologischen zweiten Teil des Sammelbands Ulrich Engel wieder auf: „Während die Katholikentagsleitung formalrechtlich argumentierte, begründeten die kritischen Theolog*innen ihren Widerspruch inhaltlich.“ Auf der einen Seite stehe eine Position, die alle im Bundestag vertretenen Parteien unter politisch-rechtlichen Gesichtspunkten gleich behandle. Auf der anderen Seite – also auf der der Unterstützer der Münsteraner Erklärung – würden „menschenrechtsbasierte Argumente“ angeführt; „demnach legitimiert der Einzug in den Bundestag auf keinen Fall eine kirchliche Gesprächseinladung an Mitglieder einer Partei, die wie die AfD rassistische und nationalistische Positionen vertritt“.
Der Metz-Schüler Engel geht in seinem Text der Frage nach, „welche Kriterien sich im Rahmen einer Theologie des Reiches Gottes für einen Umgang mit rechten Positionen gewinnen lassen“. Engel stellt in Auseinandersetzung mit einer Erzählung Franz Kafkas das von den Verantwortlichen des Katholikentags „vorgebrachte Argument der demokratischen Notwendigkeit hinsichtlich seines normativen Anspruchs in Frage“. Im Anschluss an Walter Benjamins Essay „Kritik der Gewalt“ bestimmt Engel einen Punkt jenseits der faktischen Rechtsordnung, von dem aus eine formal begründete Rechtsgewalt kritisiert werden könne. In theologischer Hinsicht, schreibt Engel, könne dieser Punkt als „Reich-Gottes-Praxis“ beschrieben werden. Im theologischen Teil des Bandes spielt die Frage nach dem Selbstverständnis der Kirche insgesamt eine wichtige Rolle.
Im abschließenden, praktischen Teil des Bandes weisen Christoph Holbein-Munske und Judith Wüllhorst mit Blick auf den Katholikentag darauf hin, dass, wenn ein AfD-Vertreter auf einem Podium spreche, öffentlich sichtbar werde, dass Kirchenverantwortliche AfD-Vertreter für relevante und legitime Gesprächspartner hielten. In diesem Sinne schreiben auch die drei Herausgeber Collet, Lis und Taxacher im Epilog: „Während wir 2018 vehement für den politischen Ausschluss der AfD auf dem Katholikentag plädiert haben, sind wir wissenschaftlich aus den gleichen Gründen genau den anderen Weg verstärkter Auseinandersetzung gegangen.“ Dem ist hinzuzufügen, dass es der streitbaren Sache dienlicher gewesen wäre, wenn mehr als eine abweichende Stimme im Sammelband zu Wort gekommen wäre.«
FAZ, 07.12.2021
Bibliographie:
Ulrich Engel, Kollektive Reich Gottes-Praxen im Konjunktiv. Politisch-theologische Reflexionen wider die rechte Normalisierung, in: J.N. Collet / J. Lis / G. Taxacher (Hrsg.), Rechte Normalisierung und politische Theologie. Eine Standortbestimmung, Verlag Friedrich Pustet Regensburg und Institut für Theologie und Politik Münster 2021, 139–157.
Jan Niklas Collet / Julia Lis / Gregor Taxacher (Hrsg.), Rechte Normalisierung und politische Theologie. Eine Standortbestimmung, Verlag Friedrich Pustet Regensburg und Institut für Theologie und Politik Münster 2021, 280 S. € 26,95, ISBN/EAN 9783791732879.
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